"90 Jahre Vater und Sohn"

Erich Ohser (e. o. plauen)

Sie feiern in Ihrer Publikation „90 Jahre Vater und Sohn“. Erich Ohser (e. o. plauen) ist der Vorzeigekünstler der Stadt Plauen. Aber war nicht vielleicht alles, was man uns in den vergangenen Jahrzehnten über diesen Zeichner beigebracht hat, erstunken und erlogen, eine perfide Verkaufsmasche ehemaliger Nazi-Propagandisten? Das legt ein gut recherchierter Artikel in der neuen Ausgabe der wissenschaftlichen Buchreihe »Deutsche Comicforschung« nahe (PDF im Anhang). Es fängt damit an, dass Ohsers »Vater und Sohn« nicht als der Kindercomic geplant war, als den wir ihn heute empfinden. Die Berliner Illustrirte Zeitung, die der Serie zu Erfolg verhalf, hatte mit Kindern nichts am Hut.

»Vater und Sohn« war auch nicht Ohsers Hauptwerk. Das war vielmehr die Nazi-Propaganda. Ohser zeichnete staatstragende Karikaturen, die regelmäßig ausgestellt wurden. Ohser gehörte zur Prominenz; er durfte das Deutsche Reich bei der Biennale von Venedig vertreten und wurde auch schon mal von Dr. Goebbels zu privaten Treffen eingeladen. Für den Fond der Propaganda (Interpress/DPZ) schuf er mit Kriegsbeginn Hunderte von Karikaturen. Ohser war einer der produktivsten Zeichner der Nazis – und einer der bestbezahlten. Er war wie Hanns Erich Köhler (Erik) und Hans Schweitzer (Mjölnir) ein »Kunstschwerverdiener« des Reichs.

Ohser war ein Täter und nicht das unschuldige Opfer der Nazis, als der er von denen hingestellt wurde, die mit »Vater und Sohn« Kasse machen wollten. Nach dem Krieg verfiel Johannes Weyl, der Ohser bei der Berliner Illustrirten gefördert hatte, auf die Idee, »Vater und Sohn« neu zu vermarkten. Und zwar – anders als in den 30ern – als Kindercomic, geschaffen von einem Zeichner, den die Nazis in den Tod gestrieben hatten. Letzteres war für Weyl das größte Verkaufsargument: Man sah keine Bewerbung des Comics ohne diesen Hinweis, und so ist es bis heute geblieben.

Diese Lesart übernahm auch die e. o. plauen Stiftung, die in Ohsers Heimat ein dem Zeichner gewidmetes Museum betreibt. Das sollte blütenrein sein; das Image des Nazipropagandisten war da eher lästig. Sackmann zeigt auf, dass es in Plauen um die Meinungshoheit darüber, »welcher Ohser« vertreten werden durfte, ein Hauen und Stechen gab. Abweichende Meinungen wurden sanktioniert. In jüngster Zeit wurden zwar die Zeichnungen aus Das Reich ausgestellt, doch der ganzen Wahrheit schaut in Plauen immer noch keiner ins Gesicht.

Lesen Sie im Anhang die ganze spannende Geschichte:

Dr. Eckart Sackmann:
Erich Ohser: Alte „Ullstein-Seilschaften“ und Mitleidsbonus.
In: Deutsche Comicforschung 2025. Leipzig 2024. S. 88-117.
 

Erich Ohser - Zeitungsberichte